Nach dem Shitstorm ist vor dem Shitstorm


Shitstorm

Kellogg´s, Zalando, Lieferheld und nun Nestle´ … alle vier Firmen standen in diesem Jahr schon im Shitstorm. Eine witzig gedachte Werbeidee, die weniger witzig aufgenommen wurde, ein kränkelndes Image oder eine einzelne Kritik, die plötzlich eine Gruppendynamik auslöst. Keiner ist davor gefeit, jeden kann es treffen und das meist ziemlich unerwartet.

 

Warum solch eine Aggressivität beim Shitstorm?

Vergangene Woche sprach mich ein Freund auf meinen Blogbeitrag über den Shitstorm bei Lieferheld an. Er war recht bestürzt über die Aggression der Shitstorm-Kommentare. Es wäre schon Hass und Feindseligkeit, was einige da geschrieben hätten. Wünsche über Tod und Teufel wurden genannt.

„Wie kann sich etwas so hochschaukeln?“ War seine Frage.

Meines Erachtens gibt es hierfür zwei Hauptgründe
1. Die Kommunikationsform der sozialen Medien
2. Gruppendynamische Prozesse

 

Online Kommunikationsformen

Grundsätzlich unterscheidet man in der Online-Kommunikation zwischen synchroner und asynchroner Kommunikation. Zu den asynchronen Kommunikationsmedien zählen beispielsweise Mailsysteme. Die Mailbox ist immer erreichbar, auch wenn der Empfänger einer Mail nicht online ist. Die Nachricht kann zu einem beliebigen Zeitpunkt gelesen und beantwortet werden. Auch Diskussionsforen zählen zu asynchronen Medien, da Diskussionsbeiträge und Fragen jederzeit eingesehen und beantwortet werden können. Das Gleiche gilt für Blogs mit Kommentarfunktion und Microblogs sowie auch für die Kommentarfunktion von Facebook. Zu den synchronen Kommunikationsmedien zählen dem gegenüber alle Dienste, in denen die Teilnehmenden gleichzeitig anwesend sein und agieren können. Hierzu zählen Live-Chats, Videokonferenzsysteme oder Online-Tools, an denen in Echtzeit kooperativ gearbeitet werden kann (z.B. Online-Whiteboards).

 

Besonderheiten der Online-Kommunikation

Bei allen computervermittelten Kommunikationsformen müssen verschiedene Einschränkungen im Vergleich zur „Face-to-Face Kommunikation“ beachtet werden, die vor allem mit einer reduzierten Wahrnehmung sozialer und emotionaler Kontextinformationen zusammenhängen. Der gesamte Bereich der nonverbalen Kommunikation (wie Körperberührungen, räumliche Distanz der Gesprächspartner, Körperhaltung, Mimik, Gestik, Blick und Tonfall) wird in der computervermittelten Kommunikation ausgeblendet. Diese Informationen werden in einer „Face-to-Face“ Kommunikation dazu verwendet, das Gesagte einzuordnen, zu bewerten und einen Eindruck vom emotionalen Zustand des Gegenübers zu bekommen.

Um Zweideutigkeiten und Missverständnisse zu vermeiden hat sich das sog. „Netspeak“ entwickelt, also Zeichen und Gestaltungsweisen, welche als Ersatz für nonverbale Signale dienen. Als Zeichen für Emotionen oder eine bestimmte Färbung des Geschriebenen (z.B. zum Aufzeigen von Ironie), werden „Smileys“ bzw. „Emoticons“ verwendet. Aktionen wie ein Grinsen oder Verwunderung werden durch das Einbetten in Sternchen markiert (z.B.: *grins*). Die vorgestellten Vorgehensweisen im Rahmen des „Netspeak“ haben allerdings bei weitem nicht die Wirkung echter körperlicher Nähe. Computervermittelte Kommunikation bleibt eingeschränkt und führt daher zu einem geringeren Maß des Bewusstseins der Anwesenheit eines Gesprächspartners und in der Folge zu einer enthemmten Kommunikation. Aus diesem Grund besteht die Gefahr einer geringeren Hemmschwelle für Beleidigungen und eines unfreundlichen Umgangstons. In der asynchronen Kommunikation (wozu wie oben genannt auch die Facebook-Kommentarfunktion zählt) ist die Hemmschwelle hierfür noch geringer.

Hat man in einer „Face-to-Face“ Kommunikation ein sichtbares Gegenüber, so muss man auch mit den emotionalen Reaktionen des Kommunikationspartners umgehen. Ein durchschnittlich moralischer und empathischer Mensch würde wahrscheinlich von Mitgefühl und Scham betroffen sein, wenn er die emotionalen Reaktionen auf Todeswünsche o.ä. sinnlich und unmittelbar wahrnehmen könnte. Durch die Distanz und die Anonymität in der Online-Kommunikation wird dies allerdings ausgeblendet. Zwischen Sender und Empfänger befindet sich die Tastatur und viele Meter Kabel. Zudem hat man in den o.g. Beispielen keinen konkreten Menschen vor Augen, sondern die Firma XY. Optimal, um dem Ärger ungebremst Platz zu machen. Wie es den jeweiligen Mitarbeitern der Firma XY im Moment des Lesens solcher Kommentare geht wird in diesem Setting nicht reflektiert.

Dass solche Situationen ihre gruppendynamischen Prozesse entwickeln muss ich nicht ausführlich erklären. Selbst im Kindergarten gibt es schon das kollektive Zusammentun gegen einen Sündenbock. Dieses Phänomen ist so alt wie die Menschheit selbst.

 

Sind die sozialen Medien jetzt also schlecht?

Nein! Wie bei allem gibt es immer gute und schlechte Aspekte. Shitstorms sind ein Phänomen der sozialen Medien, die es halt mal eben gibt. Es gilt, damit umzugehen und darüber aufzuklären.
Ach ja – by the way – es gibt auch Candy-Storms. Da bekommt man eine Flut an netten und guten Kommentaren über die sozialen Medien. In unserer Meinungs- und Bewertungskultur sind sie zwar seltener, aber vielleicht hat man ja mal das Glück, in einem zu stehen 😉

 

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Outtake:
Auch hier muss man die Nerven bewahren: Das Gefühl, wenn die Katze ständig ins Bild läuft … unbeschreiblich!

Shitstorm_Outtake

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