19. Februar um 23.16 in Mainz schaue ich kurz vor dem Einschlafen nochmal bei Facebook vorbei. In der Nähe von Palo Alto hat ein Herr Zuckerberg grade veröffentlicht, dass er WhatsApp gekauft hat.
„Krass“, denke ich im Einschlafen „Facebook hat WhatsApp gekauft.“
20. Februar 7:30 mein Mann kommt aus dem Bad und hat das Radio laufen. „Krass“, sagt er „Facebook hat WhatsApp gekauft.“ Ich klappe meinen Laptop auf und sehe in allen Kanälen mehr oder weniger die gleiche Botschaft, nur wird sie noch „krasser“, jetzt wo der Preis publiziert wird: 19 Milliarden US-Dollar!
Der Kauf ist an diesem Tag Thema Nummer 1 in der Fachwelt. Ich interessiere mich, wie in meinem Freundeskreis darüber gedacht wird, spreche verschiedene Personen an und treffe auf folgendes Stimmungsbild:
- Einige, denen es egal ist
- Wenige, die es noch nicht mitbekommen haben (was bei der gestrigen Berichtserstattung in den Medien echt eine Kunst ist)
- Einige, die WhatsApp deinstallieren wollen
- Viele, die noch abwägen und abwarten, was so berichtet wird und wo der Trend hingeht
- Doch warum gibt es diesen Hype um den Verkauf? Und warum dieser hohe Preis? Rein wirtschaftlich steht dieser in keiner Relation… doch es geht um mehr.
Warum dieser hohe Preis?
Zuckerberg hat nicht zum ersten Mal an die Tür von WhatsApp geklopft und seinen Kaufwunsch geäußert. Das Wachstum des Konkurrenten, der eine andere Art der Kommunikation anbietet und somit eine bestimmte Nutzergruppe abdeckt, war ihm schon länger ein Dorn im Auge. Gerade die jüngere Generation wendet sich zunehmend von der Massenkommunikation via Facebook ab und setzt auf privatere Kommunikation mit tatsächlich bekannten Kontakten in kleinen Gruppen. Der Gigant musste den Riesen kaufen, bevor er zu groß wurde. Das war dem mächtigsten Social Media Dienst einiges wert.
Warum einige Nutzer so verunsichert sind
WhatsApp und seine bekannten Sicherheitsrisiken haben die meisten Nutzer bisher nicht gestört. Die Übernahme durch Facebook lässt sie aber befürchten, dass die Daten mit Facebook abgeglichen und gespeichert werden. Das irritiert nun gerade WhatsApp-Nutzer, die aus Überzeugung nicht bei Facebook sind. Des Weiteren ist nun nicht mehr sichergestellt, dass WhatsApp werbefrei bleibt. Gerade dies haben viele an diesem Dienst geschätzt. Berichten zufolge (z.B. t3n) würde WhatsApp durch die Fusion mit Facebook nutzerfreundlicher und transparenter als zuvor, weil sich das Unternehmen nun an europäische Datenschutzregeln halten muss, an die Facebook schon lange gebunden ist. Es sei vor allem das Image seines Käufers, das viele zum Abwenden brächte.
Was bedeutet das alles nun für die Nutzer?
Durch 450 Millionen Nutzer sind die 19 Milliarden durch reine App-Kosten nicht einspielbar, daher ist davon auszugehen, dass die Kosten durch Werbung eingespielt werden müssen. Und hier kommen natürlich wieder die persönlichen Daten ins Spiel. Wer sie über Facebook noch nicht „abgegeben“ hat, tut dies jetzt via WhatsApp. Wer seine Daten also schützen möchte, sollte WhatsApp nicht mehr nutzen. Ich beobachte in den letzten zwei Tagen, dass sehr viel über alternative Messenger Dienste berichtet und auch diskutiert wird. In meinem Freundeskreis wurde die App sogar schon von einigen deinstalliert.
Meine Wahl: Threema
Ich persönlich habe gestern Threema installiert. Im Medienpädagogik PraxisBlog wurde darüber schon im Juni letzten Jahres berichtet
>zum Artikel
Ich war bisher ehrlich gesagt zu bequem, mich damit zu beschäftigen. Zudem nutzte keiner meiner Kontakte diese App. Der Schweizer Anbieter der Threema-App hat den Ruf, sehr viel Wert auf Privatsphäre und Datenschutz zu legen. Ich werde nicht näher auf die Funktion der App eingehen, da hierzu momentan im Sekundentakt Artikel im Netz erscheinen. Der Hashtag #Threema glüht auf Twitter und die App feiert Download-Rekorde.
Momentan bin ich noch recht alleine bei Threema, aber es kommen immer mehr Kontakte hinzu. Von der Bedienung und der Optik erinnert sie stark an WhatsApp. Durch die momentane unvorhergesehene Überbelastung kann es zu kurzfristigen technischen Problemchen kommen (wie z.B: dass ein Nickname noch nicht richtig angezeigt wird). Unterm Strich bin ich also zufrieden. Ganz nett finde ich, dass ich wegen Threema nun wieder mit Kontakten schreibe, die ich über WhatsApp nicht ohne Grund angeschrieben hätte. Es gibt jetzt zunächst das Gesprächsthema „ach, bist du auch hier? Seit wann? Wie siehst du das alles… So kommt man dann wieder ein wenig ins „Plaudern“.
Threema und auch die anderen Alternativen wie z.B. Telegram sind für mich momentan die klaren Sieger der Facebook-WhatsApp-Hochzeit.
Was ich mich nur bei alldem frage: konnte Zuckerberg diese Reaktion nicht im Vorfeld absehen? Und wenn ja… was hat er sich gedacht? Oder ist er schon so betriebsblind, dass er nicht mit Kritik und Abneigung rechnet?
Die Übernahme durch Facebook hat natürlich einige Nutzer verärgert. Diese haben dann schnell auf Alternativen zurückgegriffen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die anderen Messenger sich auch auf Dauer gegen Whatsapp durchsetzen können.
Wie so oft nach der ersten Empörungswelle ist der Hype schon wieder vorbei. Viele bleiben aus Bequemlichkeit bei WhatsApp oder einfach, weil die meisten Kontakte dort erreichbar sind. Mal abwarten, welche Neuerungen die Zukunft bringt …